Innovatives Schulkonzept und bewährte Brauereikunst: Besuch an der Alemannenschule Wutöschingen & Brauereiführung bei Rothaus
Der Arbeitskreis Bildung & Wirtschaft auf Klassenfahrt am 10. Mai 2022
Ein spannender Tag begann bereits 7 Uhr morgens am Hauptbahnhof Karlsruhe, als sich 18 WJ-Mitglieder gemeinsam in einem Bus nach Wutöschingen auf die Reise machten. Das Ziel: die außergewöhnliche Gemeinschaftsschule AWS. Doch warum besuchen wir gerade eine staatliche Schule?
Als Stefan Ruppaner (Schulleiter) die Schule übernahm, stand sie kurz vor dem Aus. Doch ohne die Schule würde die Gemeinde Wutöschingen viele Familien verlieren. Ruppaner ergriff diese Möglichkeit am Schopfe, holte sich die Gemeinderäte und den Bürgermeister mit ins Boot und strukturierte die Schule von Grund auf um. Es riss fast alle Wände raus, somit verschwanden die altbekannten Klassenzimmer und montierte Tafeln ab. Die Lehrer*innen staunten nicht schlecht, denn wie sollte denn jetzt der Unterricht funktionieren?
Ruppaner verbreitete eine neue Lernkultur, in der Schüler*innen zu Lernpartner*innen werden und Lehrer*innen zu Lernbegleiter*innen, in der Schüler*innen selbstbestimmt ihren Lernweg in Angriff nehmen und sich Hilfe holen, wen sie diese benötigen. Und wenn jeder Lernpartner*in auf seinem eigenen Weg geht, braucht es auch keine Klassenzimmer mehr, denn jeder kann für sich lernen auf dem Boden im Liegen, auf einem Stuhl oder gar im Stehen.
Es wurden wunderschöne offene Räumlichkeiten geschaffen, in denen die Lernparter*innen die Möglichkeit haben, sich alleine zurückzuziehen, in kleinen Peer-Gruppen zu lernen oder auch einen gemeinsamen Input von max. 30 Minuten zu erleben.
Wir kamen an und als erstes mussten wir unsere Schuhe ausziehen um das grüne Haus zu betreten, in dem die Sekundarstufe 1 ihre Lernlandschaft hat. Beeindruckend war die Atmosphäre, die in dem Haus herrschte. Interessanter weise erinnerte nicht viel an Schule, denn überall waren Kinder unterschiedlichen Alters verteilt, manche arbeiteten alleine und machen saßen in kleinen Gruppen zusammen. Die Lernbegleiter*innen nahm man fast nicht wahr, da sie nett und locker mitten unter den Kindern saßen.
Eine Etage höher durften wir nur noch flüstern. Hier im Lernatelier ist es ganz still, denn hier wird konzentriert gearbeitet. Viele einzelnen Schreibtische mit keinen Nischen für Ordner warn sehr praktisch aneinander gereiht. Jeder Lernpartner*in hatte sich seinen Arbeitsplatz etwas persönlich eingerichtet mit Girlanden und Bildern. Hier können sich die Lernpartner*innen zurückziehen, wenn sie in Ruhe arbeiten möchten. Auch hier fielen die Lernbegleiter*innen kaum auf und doch waren sie da.
Das selbständige Lernen kann nur funktionieren, wenn auch jeder Lernpartner*in Zugang zu allen Lernmaterialien zu jeder Zeit hat. Und so hat Ruppaner mit seinem Team und einer IT Firma eine Software entwickelt, die das digitale Lernen ermöglicht. Diese digitale Lernplattform (DieLer) steht jedem Kind zur Verfügung. Dort sind für jedes Fach einzelne Lernpakete hinterlegt, die die Lernpartner*innen selbständig bearbeiten können. Das geht auf drei Niveaustufen und am ende eines Pakets, können sie einen Gelingensnachweis schreiben, mit dem sie dann das Paket abschließen und dafür einen Punkt erhalten. In der Lernplattform sind viele weitere LernApps enthalten. Auch läuft die gesamte Schulkommunikation über diese Software. So können Lernpartner*innen jeder Zeit mit einem Lernbegleiter*in in Kontakt treten und Fragen stellen.
Herr Ruppaner führe uns durch die Schule und es war sehr beeindruckend zu sehen, dass er jedes Kind beim Namen kannte und sogar die Geburtstage auf dem Schirm hat. Man konnte eine große Wertschätzung den Kindern gegenüber wahrnehmen. Herr Ruppaner erzählte uns von einem Bild, welches er gerne als Beispiel seiner Pädagogik verwendet:
„Wir richten den Tisch schön an, wir bereiten ein Buffet vor mit den tollsten Speisen, wir können jedem auch empfehlen, was besonders gut wäre, aber Essen müssen die Kinder selbst. Wir werden jetzt nicht hergehen und mit Zwang das Schnitzel in den Rachen stopfen und dann fragen, ob es auch gut schmeckt hat. Und genauso ist es auch beim lernen. Es gibt auch Kinder die furzen am Tisch und schmeißen mit Essen um sich. Das geht natürlich nicht, denn das stört die andere Kinder beim Essen.“
Wir sind noch durch die zwei weiteren Häuser gegangen für die Sekundarstufe 2 und die Oberstufe. Interessanter Weise wollten die Lernpartner*innen der Oberstufe keinen eigenen Schreibtische mehr, daher gibt es im “weißen Haus” auch nicht mehr das Lernatelier, wie in den anderen beiden Häusern. Spannend ist auch, dass hier die Lernpartner*innen einen eigenen Schlüssel für das Schulhaus haben. Sie können also kommen und gehen wann sie wollen. Aber wie ist es möglich, dass man den Jugendlichen so viel Vertrauen entgegen bringen kann? Dieses wird von Anfang an trainiert. Denn es werden Privilegien vergeben, wenn sich ein Kind gut benimmt und diese Privilegien auch verdient. So muss ein “Starter” noch fragen, wenn er nach draußen gehen darf, wo ein “Durchstartet” schon alleine entscheiden kann.
Insgesamt war es eine sehr gelungene Fahrt mit vielen tollen Gesprächen und Inspirationen. Ein wichtiger Satz war noch von Herrn Ruppaner: “Beim selbständigen Lernen kommen die Kinder schneller voran und haben dann noch viel Zeit für die wirklich wichtigen Dinge wie Sport, Theater, Musik und Kunst.”
Nach diesen vielen Eindrücken ging es für die WJ-Gruppe zurück in den Bus und auf zu Rothaus. Die Fahrt war zwar kurz, aber man merkte sehr deutlich, dass man sich schon tief im Schwarzwald befand. Die Straßen waren eng, es ging hoch und runter an wunderschönen Wiesen und Wäldern vorbei. Bei Rothaus angekommen trafen wir auf eine kleine Delegation von WJ Hochrhein, die uns auch bei der Führung begleiteten.
Nach einer kurzen Verschnaufpause und bereits den ersten Bieren ging es mit unserer Führung los. Unser Guide war ein sehr begeisterter Rentner, dem es den größten Spaß machte uns durch das Reich von Rothaus zu führen. Er betonte stetig, dass hier das “Beste Bier der Welt” gebraut wird und es kein vergleichbares gibt.
Besonders an dem Standort von Rothaus ist, dass es sein Wasser direkt aus den klaren Quellen der Umgebung bezieht. Es gibt auch tatsächlich nur diesen einen Standort, wenn man Rothaus trinkt, egal wo auf der Welt, dann wurde es hier im Schwarzwald mit diesem Wasser gebraut. Rothaus hat zwei Hefesorten, die dort selbst hergestellt werden. Der Ansatz dafür hat einen umbeschreibbaren Wert. Tatsächlich lagert Rothaus beide Hefegrundansätze zur Sicherheit in der Bayrischen Staatsbrauerei in München.
Wir konnten auch einen Blick auf die Reifungs-Silos werfen im Keller der Brauerei. Sie sind wahnsinnig groß, so groß, dass ein Mensch sie leeren könnte, wenn er 10 Jahre lang jeden Tag mindestens 5 Bier trinkt…
Beeindruckend war noch, dass Rothaus 3 Millionen Euro in eine Flaschen-sortier- und Reinigungsmaschine investiert hat. Die LKWs von Rothaus nehmen viele Flaschen von allmöglichen Standorten mit und sortieren sie hier, reinigen sie und füllen die entsprechenden Flaschen neu ab.
Auch war es beeindruckend zu sehen, wie die Flaschen abgefüllt und beklebt werden. In einer großen Halle mit vielen Laufbändern wurden Flaschen aussortiert, neu eingegliedert und für den Verkauf vorbereitet. 50.000 Flaschen können da pro Stunde abgefertigt werden. Diese Zahlen sind einfach unglaublich.
Noch ein Fun-Fact am Ende: Wusstet ihr, warum Rothaus seinen Flaschen eine zusätzlichen Aluschürze um den Verschluss verpasst? Wenn man die Flasche öffnet und die Schürze nach unten zieht, ist der Flaschenkopf hygienisch rein und es können keine Verschmutzungen vom Transport oder Verkauf an die Lippen des Genießers kommen. Zusätzlich machte es den Schwaben leichter, das Bier zu trinken, da die Aluschürze dann das Badische Wappen am Flaschenhals verdeckt.